Dienstag, 23.04.2019, 15:30

indonesien

Persija Jakarta vs Ceres-Negros FC 2:3

Stadion Gelora Bunk Karno, 26.923 Zuschauer, AFC Cup

190423persija-ceres

Da ich um viertel vor sieben wieder raus musste. Zu Fuß zum Busbahnhof und der Starmart-Express brachte mich wie prognostiziert in zweieinhalb Stunden zum Kuala Lumpur International Airport. Wovon ich aber nicht viel mitbekam, weil ich die komplette Fahrt verpennte. Zeit bis zum Abflug war nun noch reichlich. Dummerweise verbrachte ich die unter anderem damit, beim Inder etwas zu essen. Leck die Ziege, war das scharf. Was stimmt mit diesen Menschen nicht? Ich esse ja gerne spicy, aber irgendwo gibt es eine Grenze, dann ist es einfach nicht mehr lecker, sondern brennt einem einfach nur noch alles weg. Irgendwann schwollen Lippen und Gaumen aber wieder ab und ich erklärte mich für flugfähig. AirAsia übernahm die Aufgabe, mich unaufgeregt in knapp zwei Stunden nach Jakarta zu fliegen. Mit Damri-Bus fuhr ich zur Gambir-Station, dem zentralen Bahnhof von Jakarta unmittelbar neben dem Nationaldenkmal Indonesiens. 40000 Rupiah kostet der 60minütige Bus-Trip, 10000 sind gut 60 Euro-Cent. Auf Schusters Rappen legte ich die knapp eineinhalb Kilometer zum Ashley-Hotel zurück. Mit dem Ding landete ich einen Treffer. Guter Standard mit Frühstück für zwei Nächte kosteten insgesamt 66 Euro. Mittlerweile war es beinahe 18 Uhr Ortszeit. Ein Appetit-Gefühl meldete sich. Ein Nasi-Goreng-Straßengrill bekam den Zuschlag. Das haben sie ja drauf hier, schmeckte wieder vorzüglich. Mit Getränk für gerade mal 35000, also 2,10 Euro. Mit dem Bier-Genuss ist es in diesem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit nicht ganz so einfach. Gibt es nicht überall und wenn, dann oft zu einem recht hohen Kurs. Auf dem Weg vom Gambir zum Hotel war ich aber durch das Backpacker-Viertel gelaufen und dort wurde ausgeschenkt. Damit war das Ziel klar. Das 0,64L-Bintang-Gebinde gab es für 46000, kein Schnäppchen, aber der Durst… Auf der Facebook-Seite von Persija Jakarta hatte ich gelesen, dass es nur einen Online-Verkauf für die morgige Partie geben sollte. Zwar gibt es ja immer noch die Back up-Lösung, aber ich bat den Rezeptions-Mokel mal zu checken wie es damit aussieht. Doch dessen Info war nur, dass er die Partie im System zwar anwählen, aber keine Plätze auswählen kann. Dachte ich mir aber nix weiter bei.
Gegen 9 Uhr wurde ich wach. Das Frühstück im Asia-Style ist ja eher nicht so mein Ding. Warme asiatische Gerichte bekomme ich morgens nicht durch den Schlund. Warum das in England mit Würstchen, Speck und Co funktioniert, kann ich nicht wirklich begründen. Als ich so die etwas magere Website von Persija Jakarta durchscrollte, blieb ich an einer Meldung hängen, die mir komisch vorkam. Das, was der Google-Übersetzer rausschmiss, reichte um zu verstehen, dass die Polizei eine Zuschauersperre erwirkt hatte. Einen Tag vor dem Spiel! Kann mal machen. Damit erschloss sich auch, warum online keine Tickets mehr für die Partie gewählt werden konnten. Ich blieb aber erstaunlich ruhig. Ich sehe es ja so, dass mich Dinge, die ich nicht ändern kann, eigentlich nicht mehr aufregen, wenn es sich nicht grad um eine Vollkatastrophe handelt. Ja ich weiß – für viele wäre ein Zuschauerausschluss im einzig besuchbaren Spiel die Vollkatastrophe. Aber was hilft es. Einfach abhaken. Für die erste Tageshälfte stand eine kleine Jakarta-Erkundung an. 10 Mio Menschen leben in der Stadt, in der Metropol-Region sind es wahnsinnige 25 Mio. Und diese bekommen ein großes Problem, denn Jakarta versinkt im Meer, wie ich im letzten Jahr in einem Bericht im Spiegel gelesen habe. Bis zu 25 Zentimeter jährlich(!) sacken manche Teile der Stadt ab, die schon bis zu vier Metern unter dem Meeresspiegel liegen. Und die Schuld dafür trägt die Stadtverwaltung, die für einen großen Teil der Bewohner keine ausreichende Infrastruktur geschaffen hat. Es fehlt an Zugang zu Leitungswasser, weshalb tausende illegale Brunnen gebohrt wurden. Der Boden unter der Stadt wird also quasi wie durch Strohhalme leer gesogen, verdichtet sich, trocknet aus und sackt zusammen. Und da die Stadt annähernd zu betoniert ist, kann der viele Regen nicht im Boden versickern und den Grundwasserspiegel ausgleichen, sondern fließt ins Meer ab. Wissenschaftliche Untersuchungen geben der Stadt nur noch wenige Jahre Zeit, um Maßnahmen zu treffen. Eine davon soll der Bau eines riesigen Deiches sein, womit aber die Ursache ja nicht bekämpft wird. Die Angst vor der Entwicklung führt sogar dazu, dass potentielle Kandidaten als neue Hauptstadt geprüft werden, falls Jakarta nicht zu retten ist. Nebenbei hat Jakarta ein riesiges Abwasserproblem, da auch hier das Kanalnetz nicht im Ansatz ausreicht und Abwasser ungereinigt in die Wasserläufe und dann ins Meer gelangt. Bleibt letztlich noch die Luftverschmutzung. Stau ist in Jakarta nahezu immer und die Feinstaub-Belastung eklatant, das kann man auf der Zunge schmecken und wenn man sich mal die Nase mit dem Taschentuch reinigt, weiß man spätestens Bescheid. Ich habe die Stadt als interessant empfunden – leben möchte ich dort aber sicherlich nicht.

 

Ohne Ziel lief ich los, tauchte ein in Nebenstraßen und Gassen auf der Suche nach dem echten Jakarta. Zwangsläufig kommt man dann auch mal durch Viertel, in denen man definitiv fehl am Platze ist. Ist aber in Asien ja beinahe immer unproblematisch. Man wird eigentlich nur mit Verwunderung angeschaut, erntet eher ein „Hello Mister“ als dass einem jemand ans Leder oder an die Penunsen wollen würde. Das wäre in Lateinamerika sicherlich etwas anders. Das „Hello Mister“ würde man dort vielleicht auch noch ernten, aber ernten würde auch der Grüßende. Und zwar sämtliche Wertsachen, die man bei sich trägt. Da mich der Durst übermannte – eigentlich musste man ständig Flüssigkeit oben rein kippen, weil alles sofort wieder durch die Poren nach außen drängte – blieb ich eine Cola schlürfend stehen und beobachtete das Geschehen. Ist ja ein wenig wie Live-Kino, denn ständig gibt es irgendwo eine für europäische Augen ungewohnte Szene zu entdecken. Ein Moped-Taxi musste nun her, also lief ich zum nächsten Anbieter, die ja an jeder Straßenecke auf Kundschaft warten, und offenbarte mein Ziel. Er meinte erst einmal, er hätte mich da vorn ganz allein stehen sehen. Ja gut, kommt schon mal vor, dass Leute allein irgendwo rumstehen. Aber er war ganz okay, der kleine Indonesier, und verschätzte sich völlig bei der Benennung des Fahrpreises von 15.000 Rupiah zur großen Istiqlal-Moschee. Als ich nach Ankunft dann ein wenig aufrundete, übermannte ihn der Stolz und er lehnte ab. Konnte ihm dann aber doch noch ein paar Rupiah-Dinger mehr aufzwingen. Die Moschee ist die größte in Südostasien und bietet 120.000 Muslimen Platz. Schon ein mächtiger Bau, der aber eher durch die Dimensionen als durch Schönheit besticht. Als Kuffar darf man überall rumschnüffeln, außer im großen Gebetssaal, den man nur vom oberen Umlauf betrachten darf, sofern man die Schuhe auszieht und sich so nen komischen Büßer-Kittel überwirft, der kostenlos gestellt wird. Direkt gegenüber der Moschee ist die katholische Kathedrale. Christus und Mohammed stehen sich also in Rufweite gegenüber. Von dort lief ich zum Gambir und engagierte wieder einen Moped-Fuzzi, der mich zum Hotel brachte.
Kurz unter die Dusche und wieder los. Transjakarta beförderte mich in den Süden der Stadt. Das ist ein Schnellbus-System, das autark vom übrigen Verkehr auf eigenen Busspuren verläuft – ähnliche Systeme sind aus Lateinamerika bekannt. Etwas mehr als eine Stunde vor dem Spiel sprang ich am Stadion Gelora Bung Karno aus dem Bus. Einige Jugendliche fuhren mit Schals und Fahnen behangen auf Mopeds herum, auch einige mit Fahnen geschmückte Busse mit Persija-Fans waren zu sehen. Hatten wohl von der Zuschauer-Sperre noch gar nichts gehört oder wollten ihr Glück einfach mal versuchen. Die magische Plastikkarte ebnete mir den Weg an den ersten beiden Polizei-Sperren. Das Gelände um das Stadion, von den Einheimischen kurz GBK genannt, ist ja riesengroß. Als ich dann so langsam gelangweilt dem eigentlichen Stadion-Terrain entgegen schlurfte, sah ich wie die Fans ins Stadion strömten. Die Zuschauersperre war tatsächlich keine zwei Stunden vor dem Anstoß wieder aufgehoben worden! Grund für die Sperre war übrigens die Präsidentschaftswahl, die einige Tage zuvor stattgefunden hatte. Die Staatsmacht hatte Sorge, dass die Leute noch zu emotional seien und sich ans Leder wollen. Super Plan! 24 Stunden vor einem Spiel einen Zuschauerausschluss auszurufen beruhigt die Gemüter sicherlich ungemein!

 

Also rein in die mächtige Bude. Zwei durchweg geschlossene, rundherum überdachte Ränge umschließen das Spielfeld mit Laufbahn und bieten 80000 Zuschauern Platz. Knapp 27000 sollten es noch werden, trotz der sehr kurzfristigen Freigabe. Gäste von den Philippinen waren nicht auszumachen. Bis letztendlich alle drin waren, dauerte es beinahe bis zur Halbzeit. Beide Kurven waren dann rappelvoll und in beiden Kurven befanden sich auch die aktiven Gruppen. Die Curva Nord machte dabei den etwas geschlosseneren Eindruck. Ich weiß nicht, wie sie es so kurzfristig hin bekommen haben, aber beide Kurven zauberten je eine Choreo hervor. Kann eigentlich nur alles schon vorbereitet worden sein, bevor die Sperre ausgerufen wurde. Die Curva Nord hatte sogar eine Wende-Choreo am Start. Zunächst waren nur weiße Pappen zu sehen, die dann nach Wendung einen Schriftzug ergaben, der aus meiner Perspektive nicht zu identifizieren war. Ständiges Anheben und Absenken ergab dann noch zusätzlich einen schönen Effekt. Die andere Kurve präsentierte ihre Vorführung erst zur zweiten Hälfte. Auch hier wurde ein für mich nicht zu identifizierender Schriftzug erzeugt und mittig ein großes Transparent hochgezogen, das eine Kreatur darstellte, die ich am ehesten als Alien oder riesiges außerirdisches Insekt interpretierte. Beide Kurven geizten auch nicht mit lautstarken Gesängen, das war hier alles schon tiptop – guter Sound! Vor allem, wenn man bedenkt, wie knapp der Schalter erst wieder umgelegt werden konnte. Einer torlosen ersten Spielhälfte ohne besondere Aufreger, folgte dann ein wahres Feuerwerk. Persija ging durch zwei schnelle Tore nach Wiederanpfiff verdient in Führung und hatte die Geschichte unter Kontrolle, brach aber dann mit dem Anschlusstreffer zwanzig Minuten vor Ende völlig zusammen. Unerklärlich, aber es spielten plötzlich nur noch die Gäste, die fünf Minuten vor Schluss ausglichen und in der Schlussminute auf Sieg stellten. Bei Ceres sind einige Doppelstaatler im Kader, bei denen ein Elternteil philippinischer Abstammung ist. Man verfolgt offenbar die Strategie, das Team durch international erfahrene Spieler zu verstärken ohne dabei irgendwelche Kontingent-Plätze zu verschwenden. So spielt dort unter anderem Stephan Schröck, der ja schon für die glorreiche TSG und die Eintracht in der Bundesliga vor den Ball getreten hat. Auch weitere Spieler, die in Deutschland auf zweit- bis viertklassiger Ebene gekickt haben und Leute aus der Schweiz spielen dort. Zudem sind diese auch in der philippinischen Nationalelf aktiv. So waren Schröck als Vorbereiter und der ehemalige Nürnberger Ott als Last Minute-Torschütze auch maßgeblich für den heutigen Auswärtserfolg verantwortlich.
Da der Kick ja schon nachmittags über die Bühne ging, bestand nun kein Grund zur Eile. In aller Ruhe ging es mit dem Transjakarta zurück und in die Nasi-Goreng-Bude meines Vertrauens – die Wiedersehensfreude ist nicht in Worte zu fassen. Beinahe wären Tränen geflossen. Dann musste ich mal die Sachen aus der Wäscherei abholen, die ich am Vormittag abgegeben hatte. Als ich dort mein Anliegen vorgebracht hatte, die Klamotten abends schon zurück haben zu müssen, machte der Waschbär ein ernstes Gesicht und stammelte was von Express-Service. Wäre teurer, da bräuchte er schon 50000 Rupiah… also drei Euro. Mein Gott, ja mach doch. Nächste Aufgabe: Bierdurst löschen. Dazu ging es wieder in die Schmierbude vom Vorabend, dort wusste man, was der weiße Mann braucht. Zwei Röhren sollten heut reichen, denn am nächsten Morgen krähte der Hahn wieder früher.